ALLTAGSGESCHNIPPEL (mitgehörtes, aufgeschnapptes, gesammeltes)

Vor dem Abflug

Es gibt gratis Müsliriegel. Ich sitze am Fenster und beobachte das Bodenpersonal. Die ganze Zeit, während wir zur Startbahn rollen, läuft eine Frau neben dem Flugzeug. Sie hält einen dünnen, orangefarbenen Schlauch in der Hand, den sie zuvor aus einer Klappe vorne beim Cockpit gezogen hat. Es sieht aus, als würde sie mit dem Flugzeug Gassi gehen.  

Der Wolkengucker

Ein Mann steht vor dem Männerwohnheim der Heilsarmee und sieht sinnierend in den Himmel. 

Mann: „In den frischen Nebeln, da sind Tiere drin. Die kommen aus den Bergen. Krokodile und Löwen und so weiter. Es gibt einen Beruf, der heißt Wolkengucker. Da guckt man diese Sachen aus. Wenn man eine Terrasse hat oder einen Balkon. Oder man kann das Dach aufmachen. Und sich ein Bett hinstellen. Balkone allgemein. Wir brauchen mehr Balkone.“

Drei alte Damen beim Kaffee

A: „Die Irmgard, die geht ja kaum noch aus dem Haus.“

B: „Weil die das Zittern hat.“

C: „Das haben andere auch.“

A: „Aber die schämt sich. Die nimmt sich das zu Herzen. Weil die Kunkel, die hat mal auf einem Altennachmitttag gesagt: Wenn ich so ein Zittern hätt, da tät ich mich schämen und würd gar nicht mehr aus dem Haus gehen.“

C: „Die Kunkel. Ist doch egal, was die Kunkel sagt.“

B: „Die Altennachmittage gibt`s auch schon lang nicht mehr.“

C: „Wie heißt die nochmal zum Vornamen?“

A: „Lisa. Kunkels Lisa heißt die.“

B: „Ich bin da sowieso nie hin.“

C: „Eine dumme Oschel ist das.“

A: „Die Irmgard, die nimmt sich das halt zu Herzen. Du und ich, wir würden sagen, leck mich doch am Arsch, Kunkels Lisa, aber die Irmgard, die trifft das halt.“ 

B: „Das Einzige, was die noch aufheitern kann, ist der Hund. Wenn der ins Zimmer kommt, da hellt sich das Gesicht auf. Der legt ihr die Pfote in den Schoß, der macht das einfach, das hat der noch immer geschafft, dass die wieder ein bisschen lacht.“ 

C: „Ich hab meinen Garten, ich beweg mich jeden Tag. Andere gehen spazieren. Aber die Irmgard, die macht gar nichts mehr. Die wartet nur noch auf den Tod.“

A: „Wenn ich doch sterben könnt, das sagt sie ganz oft.“

B: „Da steckt man halt nicht drin.“

C: „Nein, da steht man nicht drin.“

Großes Fressen 

Am Limmatplatz, Ecke Gasometerstraße, ist ein Beutel Reis auf dem Asphalt zerplatzt. Ein riesiger Trupp Spatzen hat sich versammelt, um die Körner aufzupicken, es sind mindestens zwanzig Tiere. Jedes Mal, wenn sich ein Passant nähert, fliegen sie gleichzeitig auf und bringen sich in Sicherheit, um nur kurze Zeit später und wie auf ein geheimes Stichwort gemeinsam zurückzukehren und weiter zu fressen. Wir stehen eine Viertelstunde und beobachten das Schauspiel. Der Spatz, passer domesticus, lese ich später, geht meistens im Schwarm auf Nahrungssuche. Findet ein einzelner Pionierspatz eine Nahrungsquelle, ruft er seine Artgenossen und beginnt erst dann zu fressen, wenn alle anderen da sind. Auch interessant: Bei sog. Bodenfeindalarm (etwa durch einen Star) verwandeln sich Spatzenverbände in regelrechte Kampftrupps. Begleitet von lauten Alarmrufen und Scheinangriffen verfolgt eine solche Spatzenarmada den Feind in Bäume und Gebüsch. Hassen (engl. Mobbing) lautet der ornithologische Fachbegriff für dieses Verhalten. 

Wäffle

Ein heißer Sommertag. Vor der Eisdiele am Bellevue hat sich eine lange, lange Schlange gebildet. Ein älteres Ehepaar spaziert vorüber. Sie bleibt stehen, betrachtet die Schlange und schüttelt den Kopf. 

Sie: „Lueg dir das a. All die Lüüt. Das glaubsch ja nöd. Wägemne Glace. Die stönd alli a für äs Glace. Das glaubsch ja nöd.“

Er: „Chumm jetzt.“

Sie: „Nei, jetzt lueg doch.“

Er: „Ich has ja gseh.“

Sie: „Findsch du das villicht normal?“

Er: „Isch doch jetzt kei Grund, da so ume z wäffle. Wenn die so blöd sind, isch das doch nöd dis Problem.“ 

Sie: „Ich tüen gar nöd wäffle.“

Er: „Chumm jetzt. Mir isch heiss.“

Spielplatzgespräche

1: "Meine war eine Sternguckerin."

2: "Ach, das ist. Ja, das hab ich auch schon gehört. Wenn sie falsch rum."

1: "Genau."

3: "Bei mir ist alles ganz schnell gegangen." 

1: "30 Stunden. Ich war 30 Stunden in den Wehen. Und am Ende sind die Herztöne runter. Wenn sie jetzt nicht kommt, schneiden wir, haben sie gesagt. Die Liege für den OP war schon neben dem Bett. Und ich hab gedacht: 30 Stunden und dann doch nur ein Kaiserschnitt?"

3: "Ich bin aus dem Taxi raus und hab gedacht, ich schaffs nicht mehr in den Gebärsaal. Presswehen ohne Ende." 

2: "Sturzgeburt?"

1: "Also, ich bin schon froh, dass es ein bisschen gedauert hat. Ich kann mich an alles erinnern. Das war wie eine Reise." 

3: "Aber 30 Stunden ist schon heftig."

2: "Das Gute am Kaiserschnitt ist, dass man sich die ganze Rückbildung mehr oder weniger sparen kann. Safe your lovechannel, sagen die Amerikaner." 

1: "Safe your lovechannel?"

3: "Was ist das denn für ein Schwachsinn?"

Is it good?

Ich warte beim Helvetiaplatz neben dem Brunnen auf einen Freund. Ein Mann nähert sich, schätzungsweise 40 Jahre alt, klein, ein bisschen untersetzt. Ob das Wasser trinkbar sei, fragt er auf Englisch. Ich bejahe, er trinkt. Er wischt sich über den Mund, zögert kurz, dann möchte er wissen, wo die Langstraße ist. Ich strecke die Hand aus und zeige in Richtung Langstraße. Der Mann nickt, beugt sich ein bisschen zu mir und sagt: „Are there girls?“ „Yes...?“, antworte ich. Der Mann nickt wieder, beugt sich noch ein bisschen weiter nach vorne und raunt: „Is it good?“ Ich fange an zu lachen, da verabschiedet er sich hastig und verschwindet Richtung Langstraße. 

Onanieren

„Wissen Sie, wenn Sie onanieren wollen, dann gehen Sie in Ihren Palast!“, ruft eine Frau einem Mann auf der Bahnhofsstraße hinterher. Sie zieht einen Rollkoffer, an den sie ein gutes Dutzend Plastiktüten geknotet hat. In der Hand hält sie einen grünen Komposteimer. Der Mann, akkurater Anzugträger, vermutlich gerade auf dem Nachhauseweg nach einem langen Arbeitstag, dreht sich um, schenkt ihr einen kurzen Blick, schüttelt den Kopf und marschiert davon. Und die stille Beobachterin dieser Szene denkt sich: nur weil Eine einen Komposteimer durch die Bahnhofstraße trägt, heißt das noch nicht, dass sie Schwachsinn erzählt. 

Apokalypse

Die Apokalypse, sagte Anja Aumüller aus der 6b, ist ganz schön pervers.